Gleich zwei Bürgerentscheide finden am kommenden Sonntag, 16. Oktober, in Thüringen statt. Damit gibt es in diesem Jahr bisher fünf Bürgerentscheide in Thüringer Kommunen. In Stadtilm (Ilm-Kreis) können am Sonntag knapp 4200 Bürgerinnen und Bürger über den Bau einer Umgehungsstraße abstimmen. In Tambach-Dietharz (Kreis Gotha) sind rund 3600 Stimmberechtigte aufgerufen, über den Verkauf eines städtischen Grundstücks zu entscheiden. Erfolgreich sind die Bürgerentscheide, wenn die Mehrheit der Abstimmenden sowie mindestens 20 Prozent aller Stimmberechtigten die vorliegenden Fragen mit JA beantworten.
Die Zahl der Bürgerentscheide in Thüringen summiert sich damit seit der Einführung im Jahr 1993 auf insgesamt 33. „Wir machen eine steigende Tendenz aus. Die Praxis der direkten Demokratie in den Kommunen wird immer lebendiger“, freut sich Ralf-Uwe Beck, Vorstandssprecher von Mehr Demokratie in Thüringen. Durch das Volksbegehren im Jahr 2008 konnten die Hürden gesenkt werden. Die Beratung durch das Mehr Demokratie-Landesbüro in Erfurt werde von Initiativen zunehmend genutzt. Im kommenden Jahr will Mehr Demokratie Thüringen erstmals einen Bürgerbegehrens-Bericht veröffentlichen.
Zum Bürgerentscheid in Stadtilm bemerkt Beck: „Die Stadtilmer haben über ein Jahr lang auf diesen Entscheid warten müssen. Den Bürgern so lange ihr demokratisches Recht auf eine Abstimmung vorzuenthalten, darf in Thüringen nicht zur Regel werden.“ Bereits im September 2010 hatten die Initiatoren 687 gültige Unterschriften für ihr Bürgerbegehren übergeben. Im November 2010 hatte der Stadtilmer Stadtrat die Zulässigkeit beschlossen, allerdings erst im August 2011 einen Termin für den Bürgerentscheid festgelegt. Die Thüringer Kommunalordnung legt keine Frist fest, innerhalb derer ein Bürgerentscheid nach einem zulässigen Bürgerbegehren erfolgen muss. Mehr Demokratie in Thüringen fordert die Einführung einer solchen Frist. Demnach sollte der Bürgerentscheid innerhalb von drei Monaten nach der Feststellung der Zulässigkeit durchgeführt werden. Diese Frist soll nach den Vorstellungen von Mehr Demokratie nur im Einvernehmen mit den vertretungsberechtigten Personen des Bürgerbegehrens verlängert werden können.
Hintergrund:
Stadtilm: Am 22. Mai 2010 wurde in Stadtilm ein Bürgerbegehren für den baldigen Bau einer Umgehungsstraße beantragt, nachdem im April der Stadtrat beschlossen hatte, bei diesem Projekt die Verkehrsentwicklung nach dem Bau der B 90 abzuwarten. Nach Ansicht der Initiatoren ist eine Umgehungsstraße rasch notwendig, um die Innenstadt zu entlasten. Am 24. September wurden 711 Unterschriften an die Verwaltung übergeben. Am 25. November beschloss der Stadtrat mit 13 Ja-Stimmen und einer Enthaltung die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens.
Am 16. Oktober können die Stadtilmer nun über folgende Frage abstimmen: „Sind Sie dafür, dass die vom Büro ‚Inver’ vorgeschlagene und von der Straßenbauverwaltung Thüringen bestätigte Ausführungsvariante 3.1 einer Innenstadtumfahrung von der B90 neu an die Landesstraßen L1048 und L1049 umgesetzt wird?“
Tambach-Dietharz: Nachdem Ende 2010 eine Debatte um den Bau eines dritten Supermarktes in Tambach-Dietharz entbrannt war, wurde am 26. Januar 2011 ein Bürgerbegehren beantragt. Hauptziel der Initiatoren war es, eine demokratische Entscheidung aller Bürger zu ermöglichen. Vom 14. Februar bis 14. April sammelten sie 504 Unterschriften, womit das Bürgerbegehren die Hürde von sieben Prozent der Stimmberechtigten (255) deutlich übersprang. Der Stadtrat beschloss am 11. Mai einstimmig die Zulässigkeit des Begehrens.
Folgende Frage wird den Abstimmenden beim Bürgerentscheid am kommenden Sonntag vorgelegt: „Stimmen Sie für den Verkauf des städtischen Grundstückes Oberhofer Straße, Flur 9, Flurstück 2865/29; 2865/11; 2863/11 zur Errichtung eines Einkaufsmarktes?“
Bei Rückfragen: Ralf-Uwe Beck, Sprecher Mehr Demokratie in Thüringen, 0172-7962982