Volksbegehren in Thüringen seit 1994

Am Unterschriftenquorum gescheitert

Am 16. Oktober 1994 trat nach einer Volksabstimmung die Thüringer Verfassung in Kraft, die in Artikel 45 Volksbegehren und Volksentscheid einführte. In den 1990er Jahren gab es in Thüringen zwei Volksbegehren: Im September/Oktober 1994 sammelte der DGB in Thüringen Unterschriften für die Schaffung von 300.000 Arbeitsplätzen. Der Mieterbund startete ein Volksbegehren zum Kündigungsschutz. Beide Initiativen scheiterten am Unterschriftenquorum und wurden nicht im Landtag behandelt.

 

Hürden werden gesenkt

Das maßgebliche Volksbegehren, in dessen Folge die Hürden für Volksbegehren und Volksentscheide gesenkt wurden, war das Volksbegehren „Mehr Demokratie in Thüringen“ , getragen vom "Bündnis für Mehr Demokratie in Thüringen" . Es startete nach einem zunächst abgelehnten Anlauf im Jahr 2000. Die Unterschriftensammlung war mit 363.000 gültigen Unterschriften - das sind 18 Prozent der Stimmberechtigten - die die erfolgreichste freie Sammlung zu einem Volksbegehren in den Bundesländern. Jedoch wurde das Volksbegehren vom Verfassungsgericht gestoppt. Nach neunmonatigen Verhandlungen der drei Landtagsfraktionen beschloss der Thüringer Landtag im November 2003 einstimmig eine Verfassungsänderng und ein mustergültiges Durchführungsgesetz (ThürBVVG).

2006 kündigte der Thüringer Blindenverband ein Volksbegehren zur Wiedereinführung des einkommens- und vermögensunabhängigen Landesblindengeldes an. Dem kam die Regierung teilweise nach: Mit dem im Dezember 2007 verabschiedeten Haushaltsbegleitgesetz wurde ein Blindengeld für alle Blinden wieder eingeführt.

 

Ringen um die Familienpolitik

Am 30. Mai 2006 wurde das "Volksbegehren für eine bessere Familienpolitik“ gestartet. Der Entwurf zur Änderung des 2005 von der CDU beschlossenen Thüringer Kita-Gesetzes sollte den Anspruch aller Kinder auf ganztägige Förderung in einer Kindertageseinrichtung ab dem ersten Geburtstag untermauern, Grundschulhorte sichern, Kinder mit besonderen Schwierigkeiten besser fördern und Eltern mehr Mitwirkungsrechte einräumen. Zu dem Bündnis für das Volksbegehren gehörten u. a. der DGB, Elternverbände, LINKE, SPD und Grüne sowie mehrere Städte. Nach der erfolgreichen Antragssammlung mit über 23.000 Unterschriften wurde das Volksbegehren am 5. Dezember 2007 vom Verfassungsgericht für unzulässig erklärt.

Am 1. Mai 2009 ging das Volksbegehren "Für eine bessere Familienpolitik“ mit einem veränderten Gesetzentwurf zum zweiten Mal an den Start und wurde am 15. September auch zugelassen. Die am 10. Februar 2010 begonnene Unterschriftensammlung wurde am 30. April 2010 abgebrochen, nachdem der Landtag ein dem Volksbegehren entsprechendes Gesetz beschlossen hatte.

 

Faire Regeln für Bürgerbegehren

2007 startete das Bündnis für Mehr Demokratie in Thüringen das Volksbegehren „Mehr Demokratie in Thüringer Kommunen“ . Die Unterschriftensammlung von März bis Juli 2008 war erfolgreich (235.530 gültige Unterschriften, das sind 12 Prozent der Stimmberechtigten) und das Volksbegehrens-Gesetz wurde im April 2009 vom Landtag übernommen. Die neuen Regeln für Bürgerbegehren, Bürgerentscheid und Einwohnerantrag traten am 7. Mai 2009 in Kraft.

 

Sozial gerechte Kommunalabgaben

Die Thüringer Bürgerallianz gegen überhöhte Kommunalabgaben, der Dachverband Thüringer Bürgerinitiativen, begann am 25. Juni 2011 mit der Antragssammlung für ihr Volksbegehren „Für sozial gerechte Kommunalabgaben“. Ziel des Volksbegehrens ist die Abschaffung der Abwasser- und Straßenausbaubeiträge. Wie im Wasserbereich sollen Investitionen über die Abwassergebühren refinanziert werden. Beim Straßenausbau soll den Kommunen die Erhebung einer Infrastrukturabgabe ermöglicht werden.

Am 19. August übergab die Initiative fast 25.0000 Unterschriften für den Zulassungsantrag (5000 sind dafür nötig). Nach Prüfung der Unterschriftsbögen durch die Meldebehörden konnten am 13. Oktober 23.783 gültige Unterschriften an die Thüringer Landtagspräsidentin Birgit Diezel  übergeben werden. Am 10. April 2013 hat das Verfassungsgericht das Volksbegehren für unzulässig erklärt. Das Urteil unterstreicht die Forderung von Mehr Demokratie, das Finanztabu für Volksbegehren abzuschaffen.

 

Mit Volksbegehren gegen die Gebietsreform

Der Verein "Selbstverwaltung für Thüringen" beantragte im Dezember 2016 ein Volksbegehren, das sich gegen das Vorschaltgesetz zur Gebietsreform der rot-rot-grünen Regierungskoalition richtete. Für den Antrag auf Durchführung des Volksbegehrens wurden über 40.000 gültige Unterschriften gesammelt; 5000 sind für einen Zulassungsantrag nötig. Landtagspräsident Christian Carius ließ das Volksbegehren am 14. Dezember 2016 zu. Am 10. Januar 2017 teilte die Landesregierung mit, dass sie gerichtlich prüfen lässt, ob das Volksbgehren gegen das Finanztabu der Thüringer Verfassung verstößt. Der Thüringer Verfassungsgerichtshof, der in einem Urteil im Jahr 2001 den Finanzvorbehalt sehr streng auslegte, muss sich nun erneut mit der Frage befassen. Mehr Demokratie Thüringen erneuerte die Forderung nach Abschaffung des Finanztabus und einer Reform der Regeln für Volksbegehren.

Volksbegehren in Deutschland

Welche Volksbegehren haben in den deutschen Bundesländern stattgefunden? Was waren die Themen, wo gab es Erfolge, wo Probleme?

Auf der Seite des Bundes-verbandes gibt es eine aktuelle Aufstellung aller Volksbegehren in den Bundesländern.

Seit dem Jahr 2000 trägt Mehr Demokratie e.V. einmal jährlich die direktdemokra-tischen Verfahren auf Länderebene zusammen und wertet sie aus. Hier finden Sie die bisher veröffentlichten Volksbegehrensberichte als PDF zum Herunterladen.