Der siebente Einwohnerantrag seit der Einführung dieses Instruments im Mai 2009 wird am morgigen Donnerstag, 28. Oktober, im Geraer Stadtrat behandelt. Mehr Demokratie in Thüringen sind nur noch zwei weitere Einwohneranträge in Erfurt bekannt. "Auch wenn es in einigen Gemeinden noch Einwohneranträge gegeben haben mag, Gera ist unangefochten die Thüringer ‚Hauptstadt der Einwohneranträge’", so Ralf-Uwe Beck, Sprecher von Mehr Demokratie in Thüringen. "Die Demokratie kann Schule machen, wenn Bürger erleben, dass ihr Engagement etwas bewegt." Höchstens 300 Unterschriften sind laut Kommunalordnung nötig, damit ein Einwohnerantrag erfolgreich ist und sich der Gemeinderat mit einem Thema befassen muss.
Die Unterschriftenhürde für Einwohneranträge wurde durch das Volksbegehren "Mehr Demokratie in Thüringer Kommunen" drastisch gesenkt. Ein Prozent der Stimmberechtigten einer Gemeinde, höchstens aber 300 Bürger, müssen nun den Einwohnerantrag unterschreiben, zuvor waren es vier bis acht Prozent. Zudem können jetzt Einwohneranträge auch von Jugendlichen ab dem 14 Lebensjahr und auch von ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern unterschrieben werden. "Die hohen Hürden waren abschreckend. Bis zu unserem Volksbegehren hat es kaum kommunale Bürgeranträge gegeben. Der jetzige Einwohnerantrag ist für die Bürger gut nutzbar", so Beck.
Der erste Einwohnerantrag Thüringens wurde vor 17 Monaten in Gera gestartet: Kurz nachdem der Landtag im April 2009 die neuen Regeln verabschiedet hatte und sie im darauf folgenden Mai in Kraft getreten sind, nutzten Schüler des Geraer Goethegymnasiums erstmals das Instrument. Im September 2009 gab daraufhin der Stadtrat grünes Licht für die von den Schülern geforderte Zusammenführung des Gymnasiums in einem Schulcampus. Auch im aktuellen Einwohnerantrag geht es um das Thema Schulbauprogramm. In seinem Antrag fordert der Geraer Rechtsanwalt Markus Meisner, dass der Stadtrat alle finanzwirksamen Beschlüsse zum Kunsthaus für Otto Dix aussetzt, bis die städtischen Eigenmittel für das Schulbauprogramm gesichert sind. Am 27. September hatte Meisner seinen Einwohnerantrag gestartet und am 15. Oktober rund 1500 Unterschriften eingereicht. Am Donnerstag wird der Geraer Stadtrat über die Zulässigkeit entscheiden und anschließend das Anliegen beraten.
Weitere Geraer Einwohneranträge betrafen den Erhalt des Schulstandortes Gera-Kleinaga, eine Änderung der städtischen Grünanlagensatzung, die Ausgliederung von Großfalka bzw. von Cretzschwitz und Söllmnitz aus der Stadt Gera sowie die Aufhebung des Stadtratsbeschlusses zu einem Bebauungsplan. Von den zwei in Erfurt initiierten Anträgen verfehlte einer, gerichtet gegen Kürzungen im Jugendhaus Wiesenhügel, die nötige Anzahl an Unterstützer-Unterschriften, der andere, zum Erhalt des Familienzentrums am Anger, wurde im Stadtrat behandelt.
Bei einem Einwohnerantrag bleibt die Entscheidung bei den Gemeinderäten. Lediglich mit einem Bürgerbegehren, das von sieben Prozent der Stimmberechtigten unterschrieben werden muss, kann ein Bürgerentscheid erreicht werden. "Die direkte Demokratie kann das Gespräch zwischen dem Volk und seinen gewählten Vertretern anregen. Das gilt für Einwohneranträge wie für Bürgerbegehren", so Beck abschließend.
Bei Rückfragen: Ralf-Uwe Beck, 0172-7962982